Die deutsche Industrie schlägt gegenüber China in der Frage von Menschenrechtsverletzungen einen deutlicheren Ton an. „Politische Faktoren überschatten derzeit die Geschäftsaussichten unserer Unternehmen in und mit China. Die Lage der Menschenrechte in Xinjiang und Hongkong belastet die Beziehungen“, sagte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), WELT vor dem Spitzengespräch zwischen der Volksrepublik und der Europäischen Union am Montag.
Grund- und Menschenrechte seien für die deutsche Industrie selbstverständlich ein globales und unverhandelbares Gut, betonte der BDI-Präsident. „Peking muss klar sein, dass die Art und Weise, wie politische und gesellschaftliche Konflikte ausgetragen werden, stets Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen hat.“
Ursprünglich war für das Wochenende ein EU-China-Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer in Leipzig geplant. Er wurde jedoch mit Verweis auf die Corona-Pandemie abgesagt. Stattdessen treffen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und der chinesische Präsident Xi Jinping am Nachmittag virtuell zusammen. Da Deutschland aktuell die Ratspräsidentschaft der EU innehat, ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel dabei.
Thema der Sitzung sollen unter anderem die zähen Verhandlungen über ein europäisch-chinesisches Investitionsabkommen sein. Bereits seit sechs Jahren verhandeln Brüssel und Peking über einen fairen Wettbewerb. Eine Weile hatte die Hoffnung bestanden, die zunehmenden Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten könnten dem geplanten Abkommen mit der EU Auftrieb verleihen.
Verschließen deutsche Konzerne die Augen?
Tatsächlich hat ein stetig gestiegenes Misstrauen gegenüber der Volksrepublik in Europa eine Einigung eher unwahrscheinlicher gemacht, unter anderem wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang und des nationalen Sicherheitsgesetzes, das auf chinesischen Druck in Hongkong verabschiedet wurde, aber nicht im Einklang steht mit internationalen Verpflichtungen.
Deutschen Konzernen wird immer wieder vorgeworfen, dass sie angesichts ihrer starken Position im chinesischen Markt vor vielen Rechtsverletzungen im Land die Augen verschließen würden. „Die deutsche Industrie blickt mit Sorge auf die europäisch-chinesischen Beziehungen. Nach über 30 Verhandlungsrunden über ein Investitionsabkommen muss die chinesische Regierung endlich politischen Willen beweisen und ein akzeptables Angebot vorlegen“, sagte Kempf. „Die EU muss in den Verhandlungen deutliche Worte finden und darf kein Abkommen mit zu wenig Inhalt absegnen.“
Im Zentrum stehen sollten substanzieller Marktzugang und ein Level-Playing-Field für europäische Unternehmen. Auch wenn ein Abkommen unter deutscher Ratspräsidentschaft noch in diesem Jahr schön wäre: „Für die Wirtschaft zählt die Qualität.“
Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in China, fürchtet, dass sich das Zeitfenster für eine Vereinbarung unweigerlich schließt. Eine Einigung müsse es noch in diesem Jahr geben, sagte er vergangene Woche bei der Vorlage des jährlichen Positionspapiers der Kammer. China schlage in den EU-Staaten immer mehr politischer Gegenwind entgegen, nicht zuletzt wegen der Menschenrechtsverletzungen. Das mache ein Abkommen immer schwieriger.
„Systemischer Rivale“ statt Partner im Welthandel
Ein Ausdruck für die gespannten Beziehungen ist die Bezeichnung „systemischer Rivale“, den die EU seit 2019 für China nutzt. Sie soll deutlich machen, dass das Land versucht, international etablierte völkerrechtliche Standards zu verletzen oder zu verschieben.
Die Chinesen stoßen sich empfindlich an dem Begriff. „Wir müssen Partner sein, keine Rivalen“, sagte der chinesische EU-Botschafter Zhang Ming am Freitag. Sein Land hoffe, die Charakterisierung werde noch einmal sorgfältig überdacht.
In Brüssel hat man das Jahresende als Zielmarke für den Abschluss der Verhandlungen gesetzt, hieß es im Vorfeld des Gesprächs. Neben weiteren Zugeständnissen beim Marktzugang drängen die EU-Unterhändler auch auf Fortschritte bei nachhaltiger Entwicklung und beim Klimaschutz. Unter anderem soll die Volksrepublik den Bau von Kohlekraftwerken im eigenen Land und deren Finanzierung im Ausland beenden.
Angesichts all dieser Erwartungen sind die Chancen auf ein rasches Ergebnis begrenzt. Für einen Abschluss, der die europäische Seite zufriedenstelle, müsse China einen großen Sprung machen, sagte Wuttke. „Die europäische Seite hat sehr deutlich gemacht, dass sie China nicht in der Mitte treffen kann.“ Peking habe eine große Lücke zu schließen, um faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen zu schaffen, wie sie umgekehrt für die landeseigenen Konzerne in der EU gelten.
Industrie fordert Abbau chinesischer Handelsbarrieren
Auch Kempf forderte dringend den Abbau chinesischer Marktbarrieren gegenüber der europäischen Industrie. „Dazu gehören nicht nur Zölle, sondern auch diskriminierende Standards oder komplizierte Zertifizierungsverfahren für europäische Produkte.“
Erst am Donnerstag hatte der Europäische Rechnungshof gewarnt, die EU-Staaten würden fahrlässig mit den Risiken chinesischer Investitionen umgehen. Mehr als die Hälfte der Investments, die chinesische Unternehmen von 2000 bis 2019 in der EU getätigt hätten, seien von staatseigenen Betrieben getätigt worden. Wettbewerbsverzerrungen könnten die Folge sein, da diese Firmen, die von staatlichen Zuschüssen in der Volksrepublik profitieren, nicht den Beihilfevorschriften der EU unterliegen würden.
Einen besonderen Blick lenkten die Rechnungsprüfer darüber hinaus auf die Absichtserklärungen, die 15 EU-Staaten mit China über Investitionen im Rahmen der sogenannten Seidenstraßen-Initiative unterzeichnet haben. Entgegen der geltenden EU-Regeln hätten die entsprechenden Staaten die Kommission nicht vorab unterrichtet.
Dazu sind sie verpflichtet, um sicherzustellen, dass ihre nationale Handelspolitik mit der Handelspolitik der EU übereinstimmt. Eine koordinierte EU-Reaktion gestalte sich vor diesem Hintergrund zunehmend schwierig.
September 14, 2020 at 05:00AM
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BDI: Industrie sendet vor Gipfel klare Botschaft an China - WELT
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