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Trumps böse Botschaft in Richtung Berlin - RND

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Kavallerieeinheiten müssen sich verhalten wie Tiefseehaie.

Wie Tiefseehaie? Thesen wie diese hört man nicht oft. Douglas Macgregor aber, pensionierter Colonel der US-Armee, vertritt sie mit großem Ernst.

Macgregor ist Militärexperte, promovierter Historiker, Autor von mittlerweile fünf Büchern. Und als solcher legt er Wert auf seine ganz eigenen Anschauungen, Bilder und Gleichnisse.

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Tiefseehaie, doziert er, müssten ständig schwimmen, um nicht zu sinken – und da liegt aus der Sicht des 73-Jährigen die Parallele: “Solange eine Kavallerieeinheit in Bewegung ist, findet und verschlingt sie ihren Feind.”

Zu lesen ist das alles auf Seite 24 des von Macgregor verfassten Buchs “Warrior’s Rage”. Zu deutsch: Die Wut des Kriegers.

Die Wut des Kriegers auf die eigene Führung

Das Buch erinnert optisch an deutsche Landserhefte. Doch es geht nicht um Heldengeschichten aus den Stahlgewittern der Weltkriege. Macgregor erzählt von Schlachten, die noch gar nicht lange her sind – und in denen er selbst mitgewirkt hat.

Den Mann mit der Tiefseehaitheorie will US-Präsident Donald Trump nun als Vertreter der USA nach Deutschland schicken.

Macgregors Lieblingsthema ist “The Great Battle of 73 Easting”. Das war im Jahr 1991, im zweiten Golfkrieg, die letzte große Panzerschlacht des 20. Jahrhunderts. Den Amerikanern gelang es damals, irakische Panzer, die in den Nachbarstaat Kuwait eingefallen waren, gleich reihenweise zu zerstören – ohne nennenswerte eigene Verluste. Und Macgregor war mittendrin.

"Warrior's rage" - "Wut des Kriegers" heißt eins der fünf Bücher aus der Feder von Douglas Macgregor. © Quelle: Verlag

Damals, meint er, hätte man besser gleich bis Bagdad vorstoßen und den Diktator Saddam Hussein entmachten sollen. Das habe ihm sogar ein irakischer Kommandant empfohlen, den er festgenommen hatte, vor der qualmenden Kulisse außer Gefecht gesetzter T-72-Panzer. “Herr Major, Sie müssen nach Bagdad gehen und die Sache beenden”, habe der Offizier ihm gesagt. “Sie müssen den Irak retten.” Er aber, schreibt Macgregor mit seufzendem Unterton, habe leider von oben die Anweisung bekommen, anzuhalten. Dies habe er auch dem Iraker erklärt: “Ich habe meine Befehle. Ich kann nicht weiter vorrücken.”

Die Wut des Kriegers Macgregor richtet sich seither vor allem gegen die eigene Führung. Die beiden Bushs? Zu lasch. Die Generäle? Männer ohne Mut, “für die das Glas immer halbleer war”. Sogar über seinen damaligen Vorgesetzten Herbert Raymond McMaster, einen weltweit anerkannten General, später Stabschef im Weißen Haus, zieht Macgregor her: “Obwohl McMaster äußerst kompetent war, war er auch ein Kommandant, dessen Versorgungsraum und Verwaltung normalerweise in Unordnung waren.”

Ein Thilo Sarrazin des US-Militärs

Mit seinen Stänkereien ging Macgregor offenbar vielen in der US-Armee auf die Nerven. Als Panzerkommandant im Irak wurde er zwar ausgezeichnet. Später war er auch, unter General Wesley Clark, an der Planung des Kosovo-Kriegs beteiligt. Doch als Macgregor 2004 in den Ruhestand entlassen wurde, war kein Generalsstern auf seiner eigenen Schulter, er hatte es nur zum Colonel gebracht.

“Herr Major, Sie müssen nach Bagdad gehen und die Sache beenden”: Douglas Macgregors Lieblingsthema ist die Panzerschlacht gegen die Truppen von Saddam Hussein im Rahmen der Operation "Desert Storm" von 1991. © Quelle: Pritzker Military Museum and Library

Seither tingelt er grantelnd durch die Talkshows und preist seine Bücher an, eine Art Thilo Sarrazin des US-Militärs.

Den Aufstieg der anderen zu hohen Rängen erklärt er auf seine Art: Zu Generälen seien in den letzten Jahrzehnten nur noch die Jasager befördert worden, “die alles wunderbar fanden, was die Politik sich ausgedacht hat” – und was er selbst unsäglich findet, von Frauen im Gefecht bis zu Transgendermenschen in Uniform.

Das Schlimmste am amerikanischen Militär aber ist aus Macgregors Sicht dessen weltweites Engagement. Warum, knurrte er in einer Sendung, lässt man US-Soldaten überhaupt irgendwelche Grenzen im Mittleren Osten bewachen, etwa zwischen Syrien und der Türkei? “Unsere Soldaten sollten lieber an der Grenze zu Mexiko stehen, das wäre viel sinnvoller, denn dann würden sie ihr Land verteidigen.”

Wenn Macgregor solche Töne anschlägt, schicken Zuschauer begeisterte Mails, und seine Bücher verkaufen sich besser. Radikalisierung als Geschäftsidee.

Ein amerikanischer Colonel im Gleichschritt mit Gauland

Ein Höhepunkt war erreicht, als er in der rechtsnationalen “Kate Dalley Show” (Motto: Wir wollen unser Land zurück) den “Macgregor-Plan” für die Grenze zu Mexiko ausbreitete. Punkt eins: Die Armee muss zuständig sein, Grenzschutz und Nationalgarde sind überfordert. Punkt zwei: Man muss das Kriegsrecht verhängen, damit die Armee effektiv durchgreifen kann.

Südlich des Rio Grande, predigt Macgregor, sei “alles fundamental anders als bei uns”, es gebe dort keine Regeln, keinen Rechtsstaat, nur Korruption, Verbrechen und Gewalt. In ganz Lateinamerika zeige sich mittlerweile ein Niedergang der Zivilisation, der mitunter schon zurückführe zu “prä-kolumbianischen Verhältnissen” – also in die Zeit vor der Entdeckung Amerikas durch Christopher Kolumbus 1492.

Die nationalistische Radiomoderatorin Kate Dalley half, den "Macgregor-Plan" für die Grenze zu Mexiko zu verbreiten: Zuständigkeit der Armee plus Verhängung des Kriegsrechts. © Quelle: Kate Dalley Show

Donald Trump, sagt Macgregor, habe all diese schlimmen Tendenzen erspürt und liege mit seinen Instinkten “zu hundert Prozent richtig”. Die USA müssten jetzt konsequent dichtmachen, sich aus aller Welt zurückziehen und im eigenen Land ihren Wohlstand mehren.

Diese Weltsicht, nationalistisch und isolationistisch zugleich, machte Macgregor aus Sicht Trumps sympathisch und interessant. Mehr noch: Mit Macgregor hatte Trump endlich mal jemanden gefunden, der ihn in Radio- und Fernsehsendungen vor dem Vorwurf rechter Kritiker in Schutz nahm, selbst zu weich zu sein und zu langsam, etwa beim Schutz der Grenze durch die versprochene Mauer. Macgregor beschwichtigte, Trump sei ja nur ein “Ein-Mann-Team”, er habe so gut wie keine Unterstützer im Washingtoner Establishment, deshalb ziehe sich nun mal manches ein bisschen hin.

Wie weit Macgregor selbst nach rechtsaußen tendiert, wurde deutlich, als er in der “Conservative Commando Radio Show” das deutsche Konzept zur Vergangenheitsbewältigung verwarf: “Es gibt da eine kranke Mentalität, die besagt, dass Generationen nach Generationen für die Sünden der 13 Jahre deutscher Geschichte büßen und die anderen 1500 Jahre Deutschlands ignorieren müssen.”

Damit stellte sich der Amerikaner an die Seite des langjährigen deutschen AfD-Chefs Alexander Gauland. Der hatte im Jahr 2018 ebenfalls eine Relativierung des Nationalsozialismus betrieben mit seiner unvergessenen Formel, die damalige Zeit sei nur “ein Vogelschiss” in der deutschen Geschichte.

Breitseite gegen Merkel und die “muslimischen Eindringlinge”

Macgregor beließ es nicht bei abstrakten Betrachtungen. In den Achtzigern war er als Soldat in Deutschland, zuvor auch schon mal als Austauschschüler, er kennt die Sprache, er hat seine ganz eigene Sicht auf Land und Leute. Und so nahm er sich bei seinen Talkshowauftritten auch schon mal konkret “die bizarre Regierung” von Angela Merkel vor: Statt mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben, biete sie “um es hart zu sagen, lieber Millionen unerwünschten muslimischen Eindringlingen kostenlose Dienste an”.

Das war eine hübsche Breitseite gegen Berlin, ganz nach dem Geschmack von Trump, der schon immer der Meinung war, Merkel werde mit ihrer Zuwanderungspolitik Deutschland “zerstören”.

Voll auf Trumps Linie liegt Macgregor auch mit Blick auf Wladimir Putin. Im russischen Fernsehen verkündete Macgregor, die Ukrainer im Osten der Ukraine seien doch im Grunde Russen. Jedenfalls müsse man ihnen erlauben, sich “Russland anzuschließen”. Stundenlang kann Macgregor auch über die Lage in Syrien reden, ohne dass ihm ein Wort der Kritik an Moskau entfahren würde, etwa an der Bombardierung von Krankenhäusern, die zuletzt von Amnesty International dokumentiert war. “Mal ehrlich”, sagte er in der Radioshow von Kate Dalley. Wenn er sich “die breite Mehrheit” derer ansehe, die derzeit in Syrien von den Truppen Assads und den Russen getötet werde, müsse er sagen: “Wenn ich dort wäre, würde ich ihnen ebenfalls helfen, diese Leute zu töten.”

Logisch, dass Macgregor auch einer der führenden Befürworter einer raschen Reduzierung der US-Truppen in Deutschland ist. Die Europäer können nach Meinung von Macgregor in Zukunft schlicht und einfach nicht mehr erwarten, dass ein amerikanischer Schirm sie schützt, schon gar kein nuklearer. Die Antwort auf russische Angriffe müsse konventionell sein und dürfe nur regional gegeben werden.

US-Demokraten wollen jetzt die Notbremse ziehen

Aus Sicht westlicher Militärexperten liegt hier die böseste aller Botschaften Trumps, die mit der Nominierung Macgregors verbunden sind: Seine Linie würde darauf hinauslaufen, dass die USA den Europäern nur noch alle Gute wünschen. Es wäre das Ende einer Allianz, die den Deutschen und den Europäern die längste Periode von Frieden und Freiheit ermöglicht hat, die sie in jüngster Zeit erlebt haben.

Die Demokraten im US-Senat wollen jetzt die Notbremse ziehen und die Entsendung von Douglas Macgregor nach Berlin verhindern.

“Macgregor würde irreparablen Schaden in Berlin anrichten”, warnt US-Senator Robert Menendez in einem Schreiben an den Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.

Menendez kritisiert in seinem Schreiben, Trump habe bereits bei zahllosen Gelegenheiten “seine Verachtung für Deutschland” deutlich gemacht. Die Verbindung der USA zur Bundesrepublik bleibe jedoch eine der weltweit wichtigsten zwischenstaatlichen Beziehungen. Deshalb sei es geboten, “diese toxische Nominierung sofort zurückzuziehen”.

Im Original: Das Schreiben als PDF

Menendez gehört dem Auswärtigen Ausschuss des US-Senats an, der der Berufung von Botschaftern zustimmen muss. Der Demokrat aus New Jersey gilt außenpolitisch als Mann der Mitte, er war über viele Jahre Vorsitzender.

“Macgregor würde irreparablen Schaden in Berlin anrichten”, warnt US-Senator Robert Menendez. © Quelle: AP

Mit dem Schreiben an Trumps Stabschef ist der Streit jetzt eskaliert: Es ist ungewöhnlich, dass aus dem Senat heraus im Weißen Haus interveniert wird, um schon vorab eine Botschafterernennung zu bremsen.

Aus Senatskreisen heißt es, man wolle aus Sorge um die deutsch-amerikanischen Beziehungen die drohende öffentliche Kontroverse über Macgregor möglichst gar nicht erst stattfinden lassen. Selbst wenn der Senat am Ende die Entsendung verhindere, drohe schon durch die bloße Debatte ein Schaden für das Ansehen der USA. Diese Haltung werde informell auch in Kreisen der Republikaner geteilt.

Auch jüdische Organisationen in den USA haben bereits vor einer Entsendung Macgregors nach Berlin gewarnt.

Das Weiße Haus wünscht keine Verzögerung

Die Bundesregierung in Berlin hatte darauf gesetzt, dass sich das Thema durch eine Niederlage Trumps bei der Präsidentschaftswahl am 3. November erledigen werde. Das Weiße Haus indessen hatte zuletzt Ende August gegenüber dem US-Sender CNN Kritik an Macgregor zurückgewiesen und betont, der frühere Offizier sei als Experte für deutsche Geschichte und als ehemals in Deutschland stationierter Soldat “hervorragend für den Botschafterposten in Berlin qualifiziert”. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Judd Deere, sagte, der wichtige diplomatische Posten müsse “ohne Verzögerung neu besetzt werden”.

Richard Grenell, der bisherige Botschafter der USA in Berlin, hatte am 1. Juni dieses Jahres seinen Rückzug erklärt. © Quelle: Kay Nietfeld/dpa

Der bisherige US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hatte am 1. Juni dieses Jahres sein Amt niederlegt. Am 29. Juli hatte Präsident Trump Macgregor als Nachfolger nominiert.

Schon Grenell war alles andere als ein Brückenbauer. Er war eher als Zündler und Kritiker unterwegs. Als Grenell sich aus Berlin zurückzuziehen begann, dachten in Deutschland viele, nun sei in der deutsch-amerikanischen Diplomatie zumindest der allertiefste Tiefpunkt überwunden. Doch da hatte man sich – einmal mehr – in Donald Trump getäuscht.




September 07, 2020 at 10:30AM
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